KIGA: Die Hölle mitten im Garten Eden [Überlebende von Ritueller Gewalt; autobiografischer Bericht]
KIGA [Pseudonym]: Die Hölle mitten im Garten Eden oder Wie ich mir meine gestohlene Seele zurück holte
4. Auflage ist im Druck; erhältlich über: )
Ein ganz und gar unvergleichliches Buch! Der Bericht einer Überlebenden von Ritueller Gewalt, die mit 11 Jahren mutistisch wurde, jedoch keine multiple Persönlichkeit entwickelt hat. Der Autorin war die meiste Zeit des Erwachsenenlebens berufstätig, ist verheiratet und es ist ihr in jahrzehntelanger Eigentherapie gelungen, nach 42 Jahren sowohl den Mutismus zu überwinden, als auch ihr Seelenleben zu stabilisieren, sodaß sie das vorliegende Buch schreiben konnte. Sie selbst schreibt (in einem Brief an mich vom 24.1.09):
"Der Mutismus war für mich ein Ventil, um die abgespaltenen Gefühle von Scham, Peinlichkeit, Hilflosigkeit (no fight, no flight) nach außen abzuleiten – Aber wie habe ich eigentlich überlebt angesichts der Tatsache, daß die gesamte Umwelt in meiner Kindheit – Familie, Nachbarn – in den Satanismus verstrickt war? Es gab bei mir nicht den berühmten wissenden Zeugen nach Alice Miller. Vielleicht war mein Überlebensmechanismus die riesengroße Illusion von einer glücklichen Familie, in der ich wie in einer Seifenblase lebte. Am Tage waren wir ja auch eine Bilderbuchfamilie – gut situiert, keine Gewalt (ich kann mich kaum je an Ohrfeigen erinnern), kein Alkohol, Besuch des Gymnasiums, gepflegt, (über)behütet. (…)
Man kommt mit Selbstbeobachtung ziemlich weit in der Analyse des eigenen Verhaltens. Was man selbst sich allerdings überhaupt nicht bieten kann, ist die Spiegelung in einem anderen Menschen. Natürlich hatte ich aber Unterstützung durch Ehemann, Schwester und Freundinnen. Speziell eine Freundin hat mir sehr viel Mut gemacht fürs Heilwerden.
Was du schreibst über Nachreifung, das habe ich an mir bei meiner Heilung erlebt. Es fühlt sich an, als ob die Seele dicker wird, ausladender, raumgreifender. Es ist ja nicht nur so, daß das Symptom verschwindet, das ganze seelische Erleben strickt sich um, wie wenn man sich im Kaufhaus eine neue Seele gekauft hätte.."
Dieses Buch und seine Autorin empfinde ich als 100%ig glaubhaft, obwohl ich noch nie gehört oder gelesen habe, daß jemand in 30 Jahren wesentliche Teile einer solchen Traumafolgeschädigung überwinden konnte; ich hätte es auch nicht für möglich gehalten und kann es letztlich noch immer nicht nachvollziehen. Und daß derjenige, diejenige dann noch die Lebenskraft hat, diesen Entwicklungsprozeß in einem derart klaren, geradezu didaktisch konzipierten (und dazuhin spannenden) Buch darzustellen - !
(Daß sich einige terminologische Schnitzer im Buch finden, mindert das Wunder und die riesige Lebensleistung in keiner Weise; ich möchte sie dennoch erwähnen: Psychose ist keine Bewußtseinsspaltung, dafür ist die Dissoziation eine, die von der Autorin jedoch Verdrängung genannt wird. Mit dem Symptom in friedlicher Koexistenz zu leben, ist weniger eine Methode der Verhaltenstherapie, sondern hat mit Recovery zu tun, einem Aspekt von Resilienz. Der innere Heiler ist nichts von übergeordneter Natur, sondern ein Moment der eigenen gesunden Lebenskräfte.)
> Zum Thema traumabedingter selektiver Mutismus siehe auch:
Hanns-Josef Ortheil: Die Erfindung des Lebens
> sowie auf dieser Liste: HAYDEN