KINSKI, Klaus: Ich brauche Liebe [Autobiografie; wohl Borderline]
Klaus KINSKI: Ich brauche Liebe
(München 1991/2001)
Für mich läßt diese Autobiografie des umstrittenen Schauspielers keinen Zweifel daran, daß Kinskis Leben entscheidend bestimmt war von einer Borderline-Persönlichkeitsstruktur. Viele Jahre lang konnte er sich stabilisieren offenbar nur zwischen der ekstatischen schauspielerischen Arbeit (wobei ihm die miese Qualität der meisten Vorlagen durchaus bewußt war; - wichtig war das Spielenkönnen – und das Geld), dem uferlosen Ausleben seiner Sucht nach Sexualität und dem ebenso grenzenlosen, unsteuerbaren Geld-Ausgeben.
Es gibt wohl nur wenige Bücher, in denen so deutlich die Zusammenhänge nachvollziehbar werden zwischen einer regressiven Sehnsucht nach der Mutter, dem Zurückkehrenwollen in den Mutterleib und dem Ausagieren dieser (Sehn-) Sucht in extrem schematisierter Sexualität, dies bei einem an sich äußerst sensiblen Menschen !
Eine ansatzweise partnerschaftliche Beziehung und die Geburt eines Sohnes führen später zur Verlagerung seiner Lebenskräfte. Stärker noch als die Partnerin wird der Sohn für Kinski zum stabilisierenden Mittelpunkt des Lebens. In der Identifikation mit ihm sucht der Vater seine eigene schlimme Kindheit zu heilen, unternimmt er Schritte einer Nachreifung zur Identität eines erwachsenen Mannes.
Im letzten Teil des Buches schreibt Kinski über die Funktion des Theaterspielens für seine innerste Sensibilität und Lebendigkeit. Es wird auch für uns Nicht-Künstler deutlich, wie gerade Kinskis Schutzlosigkeit und Zerrissenheit zur Grundlage ganz besonderer kreativer Leistungen wurde.
Siehe auch den Film von Werner Herzog über Klaus Kinski: Mein bester Feind
Nachtrag aus aktuellem Anlaß (Kinski als Täter): Der 2013 öffentlich bekanntgewordene jahrelange sexuelle Mißbrauch Kinskis an seiner Tochter Pola sowie die sexuellen Grenzüberschreitungen bei anderen jungen Frauen/Mädchen widersprechen der hier diskutierten Einschätzung nicht. Die jetzt neu aufflammende Diabolisierung Kinskis trägt zum Verständnis des Gesamtzusammenhangs nichts bei.
Die streckenweise ziemlich pornografisch anmutende Darstellung von Sexualität dürfte vielen unangenehm sein und könnte für Überlebende von sexueller Gewalt Auslöser-Funktion haben !
> (Siehe auch hier auf der Liste: LUNCH.)