BERNHARD, Thomas [über die traumatische Sozialisation des Schriftstellers]
(Thomas Bernhard:)
Hans HÖLLER: Thomas Bernhard
(Reinbek 1993)
Diese hervorragende Biografie läßt keinen Zweifel daran, daß der bedeutende Schriftsteller Überlebender von traumatischen Sozialisationsbedingungen war. Es wird deutlich, wie Thomas Bernhard lebenslang versucht hat, die entsprechenden traumabedingten Empfindungen und kognitiven Muster in seinem Werk darzustellen (auszuagieren) und künstlerisch umzuwandeln – um sich von ihnen zu befreien.
Siehe Thomas BERNHARDs eigene Bücher über seine Kindheit und Jugend:
>Die Ursache. Eine Andeutung (1975)
>Der Keller. Eine Entziehung (1976)
>Die Kälte. Eine Isolation (1981)
>Der Atem. Eine Entscheidung (1978)
>Ein Kind (1982)
In der Originalausgabe von 'Die Kälte' (Residenz Verlag, Neuausgabe 2004) stellt der Verlag folgendes Zitat der Literaturkritikerin Sigrid Löffler auf die hinteren Umschlagdeckel: "Ähnlich seinen drei vorangegangenen selbstbiographischen Berichten weist auch 'Die Kälte' Bernhard als literarischen Heimatbeschmutzer von Rang aus. Mehr noch: Bernhard beweist, von Band zu Band, daß es immernoch schlimmer kommen kann." - Dieses Zitat beweist vor allem die bornierte Ignoranz der literarischen Öffentlichkeit gegenüber dem psychotraumatologischen Zusammenhang, der in diesen Bänden wirklich ausnahmslos jeden Leser erschüttern und entsetzen müssen - sollte man meinen. Aber so ist es nicht: Das Werk von Thomas Bernhard wird nun mal unter der Kategorie "Heimatbeschimpfer" und "exzentrischer Provokateur" verkauft..
Dabei können diese fünf Bände in der Präzision der Darstellung als fachlich relevante Falldarstellungen gelten für mehrere sehr unterschiedliche entwicklungstraumatologische Zusammenhänge sowie ihre Folgen.