ENDRES,M./G. BIERMANN: Traumatisierungen in Kindheit und Jugend
Manfred Endres / Gerd Biermann (Hrsg.): Traumatisierungen in Kindheit und Jugend
(München 22002)
Der Band enthält Beiträge zur psychoanalytisch orientierten Traumatherapie, entstanden 1998, wobei ein Schwerpunkt auf Kollektivtraumata liegt (Soziales Trauma, vgl. auf dieser Liste: St. Just): NS-überlebende jüdische Kinder (KEILSON, E. FEDERN, I.KOGAN), unbegleitete Kinder aus Terror-Ländern in der BRD (J. WALTER). Dazu kommen u.a. drei differenzierte, (mich) überzeugende Fallberichte psychoanalytisch orientierter Traumatherapie:
> Annedore HIRBLINGER: 'Der Opfer-Täter-Komplex im Bereich sexuellen Mißbrauchs' (plausible Darstellung des nachfreudschen Umgangs mit sexuellem Mißbrauch in Orientierung an HIRSCH und ROHDE-DACHSER, FÜRSTENAU und HEIGL-EVERS, gute Kriterien zur Abgrenzung von phantasiertem Mißbrauchs ("False Memory Syndrom"). Eine derart differerenzierte Reflexion zum Opfer-Täter-Komplex habe ich noch in keiner psychotraumatologischen Arbeit gelesen! - Für mich insgesamt der herausragende Beitrag des Buches!)
> Juliane BRÜNDL: 'Trauma, Adoleszenz und Kreativität' (ein Fallbericht, in dem die Relevanz von Kreativität als Ressource sehr deutlich wird. Dies wird in den häufig allzusehr an der sozialen Normalität orientierten Therpiezielen oft vernachlässigt.)
> Adam ALFRED: 'Borderline-Erkrankung und Adoleszenz' (Ein auch sprachlich sehr lebendiger - um nicht zu sagen: unterhaltsamer Therapiebericht über die Arbeit mit einem aufmüpfigen jungen Mann, dessen traumabedingte Bindungsstörungen zwar deutlich werden, wohingegen die Borderline-Diagnose nicht belegt wird, sondern ausschließlich im Titel auftaucht. Nach meinem Eindruck könnte der Klient zu den sogenannten Hochbegabten gehören; seine aversive Haltung den alltäglichen Erfahrungen mit der sozialen Umgebung gegenüber wäre von daher großenteils nachvollziehbar.)
Obwohl die Veröffentlichung etwas älter ist und schon von daher nicht eingehen kann auf die jüngsten psychotraumatologischen Erkenntnisse, ist das Buch nach wie vor lesenswert; die meisten Beiträge sind verständlich auch ohne psychoanalytische Fachkenntnisse. Für TherpeutInnen mit diesem Hintergrund allerdings könnte das Buch eine gute Brücke zur Traumatherapie bilden.