INGERMAN, Sandra: Auf der Suche nach der verlorenen Seele [Schamanische Traumatherapie]
Sandra INGERMAN: Auf der Suche nach der verlorenen Seele
(Kreuzlingen/München 1998)
'Seelenverlust' entspricht im schamanischen Heilen phänomenologisch offenbar ziemlich genau dem, was die Psychotraumatologie unter dissoziativen Ego States versteht. Therapeutische Ansätze, die mit Persönlichkeitsanteilen arbeiten, verstehen diese meist als in uns drin befindlich. Demgegenüber neigen wir im Allgemeinen dazu, uns etwas als lokal weit entfernt vorzustellen, was wir emotional als weit weg empfinden. Damit nun korrespondiert die schamanische Traumatherapie. Aus schamanischer Sicht haben sich die traumatisierten Seelenanteile real von dem betroffenen Menschen entfernt in so etwas wie Parallelwelten hinein und können vom Schamanen / von der Schamanin von dort zurückgeholt werden. – Beim aufmerksamen Nachvollzug habe ich immer neu (mit einiger Verwunderung) festgestellt, daß ich auch in diesem Buch 95% der Darlegungen nicht nur akzeptieren konnte, sondern ich fast alles als wertvolle Bereicherung sonstiger ressourcen- und imaginationsorientierter traumatherapeutischer Methoden empfinde. – An die Existenz von Oberer, Mittlerer und Unterer Welt (im schamanischen Sinne) brauche ich nicht zu "glauben", aber ich empfand die wenigen Hinweise darauf auch in diesem Buch als in sich stimmige Metaphern oder archetypische Vorstellungen.
Was da "wirklich" geschieht während einer schamanischen Reise, werden wir von außen vermutlich nie erfahren – aber das gilt letztlich für sämtliche Phänomene des menschlichen Bewußtseins. Jeder Traum ist real und irreal zugleich – und jede Multiple Teilpersönlichkeit ebenso.
So seltsam es klingen mag: Die von Sandra Ingerman dargestellte schamanisch-therapeutische Praxis erscheint mir trotz ihrer irreal anmutenden Aspekte bodenständiger und erfolgversprechender als manche der elaborierten neuen Konzeptionen akademisch-wissenswchaftlich orientierter therapeutischer Schulen.