KUNTZ, Helmut: Der rote Faden in der Sucht [Entwicklungspsychologisch orientierte Suchttherapie]
Helmut KUNTZ: Der rote Faden in der Sucht
(Weinheim und Basel 2000)
Das traditionelle psychoanalytische Verständnis der Borderline-Persönlichkeit (KERNBERG, ROHDE-DACHSER) geht für die kindliche Entwicklung aus von zeitlich eng umgrenzten sensiblen Phasen. Dies geht zurück auf die entwicklungspsychologische Theorie von Margaret MAHLER (u.a.) und wird inzwischen von neuen Erkenntnissen aus der Säuglingsforschung in wesentlichen Aspekten infrage gestellt. Es scheint eher so zu sein, daß bestimmte "Bereiche der Selbstempfindung" ab dem Zeitpunkt ihrer Entstehung (im frühen Kindesalter) lebenslang sensibel bleiben für Veränderungen und damit sowohl für Störungen als auch für entsprechende Nachreifungsprozesse !
Diese Forschungsergebnisse von Daniel N. STERN (siehe weiter unten auf der Liste) bezieht der Familien- und Drogentherapeut Helmut Kuntz auf das Problem der Entstehung von süchtiger Abhängigkeit. In diesem Zusammenhang kommt er an etlichen Stellen auf die Korrelation zum Borderline-Syndrom zu sprechen. Ebenso wie STERN vermutet Kuntz, daß auch traumatische Erfahrungen im späteren Kindes- und Jugendalter Grundlage dessen sein können, was wir "Borderline" nennen.
Entwicklungspsychologie orientierte sich bisher vorangig am kognitiven Aspekt des Bewußtseins bzw. am Umgang des Einzelnen mit der Umwelt. Demgegenüber legt Kuntz (wie schon D.N.STERN) den Schwerpunkt seiner Aufmerksamkeit auf das subjektive Erleben des Säuglings bzw. auf die Weiterentwicklung des Selbstempfindens. (Siehe zu dieser nötigen Umgewichtung auch: Stanley I. GREENSPAN/ B. Lieff BENDERLY: "Die bedrohte Intelligenz"; München 1999 – ein irreführender Buchtitel: Es geht um die emotionalen Grundlagen des Bewußtseins.)
Stärkere Aufmerksamkeit für die emotionale/sinnliche Entwicklung des Kindes wird zum Verständnis von Betroffenen mit Traumafolgestörungen (wozu Borderline ebenso zählt wie oft auch Suchtformen) ohne Zweifel nützlich sein.
Das Buch erfordert genaues psychologisches Mitdenken, setzt aber keine Fachkenntnisse voraus.