LEVINE, Peter A.: Trauma-Heilung [Sachbuch]
Peter A. LEVINE: Trauma-Heilung. Das Erwachen des Tigers
(Essen 1998)
Der Autor ist Biologe, Physiker und Psychologe. Schwerpunkt seiner psychotraumatologischen Forschung und Praxis ('Somatic Experiencing') sind psychosomatische Ressourcen, die wesentlich dazu beitragen können, traumabedingte seelische und körperliche Erstarrungen aufzulösen. Trauma wird dabei verstanden als unvollständig durchlaufener Prozeß einer gattungsübergreifenden biologischen Überlebensstrategie. Die ursprünglichen Reaktionen auf das Erleben akuter Lebensgefahr werden als natürlich und ihrem Sinne nach überlebenssichernd gesehen, problematisch ist nur ihr unvollständiger Abbau nach dem traumatischen Erlebnis. Levine geht hypothetisch aus von einer Art Lebensenergie, die durch psychische Traumata gerstaut und im Nachhinein wieder in Fluß zu bringen ist, und zwar ohne langwieriges und schmerzhaftes Reaktualisierungen der traumatischen Empfindungen. Als möglicherweise erster Autor brachte er die Immobilitätsreaktion bei Tieren in Zusammenhang mit der traumabedingten Erstarrungsreaktion bei Menschen. Wesentliche Ergebnisse der Erforschung dissoziativer Mechanismen kamen erst nach 1998, aber auch in einer späteren Veröffentlichung bezieht Peter Levine sich darauf nicht (jedenfalls nicht explizit). Sein eigener Erfahrungsweg kann dennoch sehr nützlich sein für HelferInnen im Umgang mit traumatischer Dissoziation, vor allem auch mit der Erstarrungsreaktion. Gerade Levines Darstellung kann Betroffenen helfen, Traumafolgeschäden zu verstehen als ursprünglich gesunde Reaktionen auf schädliche/zerstörerische Lebenssituationen.
Trotz seiner Fülle von nützlichen Gedankenanstößen und konzeptionellen Erläuterungen, aus denen ich einiges gelernt habe, empfand ich dieses Buch insgesamt als etwas ungeordnet und unklar. Wirklich vorstellen konnte ich mir Peter Levines therapeutische Methode 'Somatic Experiencing' aus diesem Buch nicht. Deshalb hatte ich es bisher nicht aufgenommen in diese Literaturliste. Im Rückblick verstehe ich es jedoch als wichtigen originären Protagonisten einer neurobiologisch orientierten Aufmerksamkeit für Traumafolgeschäden.
Möglicherweise kann Levines Methode vorrangig bei Akuttraumatisierungen nützlich sein?
Durch den Schwerpunkt des Ansatzes auf ganzheitliches inneres Empfinden sind Korrelationen zu Focusing (Gendlin), Jon Kabat-Zinn, Hakomi, Leibsinn (Stopczyk), Core Transformation (Andreas) denkbar