ROSCH; Mirjam: Laura G. [Rituelle Gewalt; erzählender Fallbericht]
Mirjam ROSCH: Laura G. - Im Namen des Teufels
(Düsseldorf 1995)
Ein erzählender Bericht über die Leidensgeschichte eines Mädchens, das vom 3. bis 15. Lebensjahr in der Gewalt einer satanistischen Tätergruppe war, zu der wesentlich die eigenen Eltern gehörten. - Wie Mehltau liegt das sprachlich kaum vermittelbare Grauen über der Darstellung, die bei aller inhaltlichen und sprachlichen Differenziertheit stumpf ist, niedergedrückt. Die Banalität des Bösen (Hannah Arendt über die KZ-Schlächter): eine nicht abreißende Kette von Folter und sexueller Gewaltakte - und daneben in immer neuen Formulierungen vermittelte Hilflosigkeit des Opfers, ihr Unbegreifen angesichts des eigenen (jetzt überwundenen) Schicksals.. - Gerade diese hilflose Redundanz belegt für mich die Authentizität dieser Lebensgeschichte. Daß solche Taten an sich Realität sind, kann demgegenüber nicht mehr bezwiefelt werden, zu sehr gleichen sich die traumatischen Auslöser, die Flash Backs und Symptome von Überlebenden.
Wer auch immer hinter Mirjam Rosch oder Laura G. stecken mag, - Unterstützung bei der Gestaltung des Buches gab es zweifellos, aber auch hierbei geben mir manche journalistisch unprofessionellen Schnitzer Vertrauen in die Authentizität der Überlebenden.
In kaum einem Überlebensbericht wird die gnadenlose seelische Zerstörtheit der beteiligten TäterInnen ähnlich deutlich - dies bei problemlos funktionierender sozialer Anpassung! Das Syndrom der NS-Schergen..
Fast nur implizit, in winzigen Formulierungen, werden bei Laura G. Momente von Resilienz deutlich, durch die sie letztlich nicht nur das Überleben, sondern auch ein neues, gutes Leben geschafft zu haben scheint. - Zuvor allerdings mußte sie noch alle Hürden überwinden, die unsere gesellschaftliche Normalität für Opfer schwerster Traumatisierung bereithält! In einem in seiner nüchternen Plausibilität besonders bitteren Epilog wird berichtet, wie Laura G. mit 12 einen Suizidversuch unternimmt. Darauf lassen die Eltern sie in die Akutpsychiatrie einweisen. In langen Gesprächen überzeugen sich die Psychiater von der Untadeligkeit der Eltern (in Wahrheit bestialische Täter). Unschwer finden sich bequeme psychiatrisch-psychologische Schubladen für alle Symtome. Daß Laura nichts sagt, ist klar.
Einschub aus der eigenen Erfahrung: Eine 19jährige, die wegen chronisch schwerer Selbstverletzungen am ganzen Körper in eine Akutpsychiatrie eingewiesen worden war, vertraute sich ihrer Zimmernachbarin an: Sie wurde anhaltend und seit der Kindheit vom Stiefvater mißbraucht. Zwar hatte sie jetzt eine eigene Wohnung, aber der Mann besucht sie dort regelmäßig (schließlich bezahlt er die Miete). Die Mutter weiß von nichts. - Ich betreute damals jene Zimmernachbarin, die mir gegenüber ihr Schweigeversprechen brach, weil sie es nicht aushielt - als sie jenen Stiefvater dann selbst als Besucher erlebte. - - Ich versuchte in der Folge, die junge Frau durch meinen Gruß ein bißchen einzubeziehen, die Zimmernachbarin gab ihr zu verstehen, daß sie sich an mich wenden könne.. - was hätte ich sonst tun können??
Laura G. wird mit 15 zur Ausreißerin. Drogen, falsche Männer, ein Kind, nachgeholte Mittlere Reife, Zusammenbrüche, Operationen, Anorexia, unangemessene Psychotherapien, eine Odyssee durchs Dickicht der Behörden - was ja alles fast regelhasft zur Überlebensgeschichte von kindheitstraumatisierten Menschen gehört.
>vgl. auf dieser Liste: Gabi Lummas, Rachel, Flora Rheta Schreiber, Margaret Smith, Judith Spencer, Igney/Fliß.
Siehe auch den Menüpunkt "Rituelle Gewalt" - hier!