SAURA, Carlos: La Madriguera (Höhle der Erinnerungen) [Spielfilm]
LA MADRIGUERA (1969)
Deutscher Titel: Höhle der Erinnerungen (WDR 7.9.1971)
Englischer Titel: Honeycomb
Ein Film von Carlos Saura mit Geraldine Chaplin
Es geht in diesem Film um eine junge Frau, die nach dem Tod der Eltern den elterlichen Hausstand in das Haus mitnimmt, das sie mit ihrem Mann bewohnt, und sich in der Folge zunehmend in "Erinnerungsspiele" verstrickt. Ansatzpunkte sind vertraute Elternhausmöbel, ihre Schulbücher und andere Requisiten aus der Elternhauswohnung - mit denen sie schrittweise die Ehewohnung ausstaffiert. Teilweise zeigen sich (mit unserem heutigen Wissen) dissoziative Flash Backs. Nach anfänglichem Befremden steigt auch der Ehemann ein, sie "spielen" gemeinsam, - surrealistisch anmutende Szenen, in denen aber immer deutlicher auch traumatische Unterdrückung des Mädchens durch den Vater deutlich wird.
Damals und heute lassen sich immer weniger voneinander unterschieden; auch der Ehemann bringt zunehmend eigene verdrängte Momente in das gemeinsame "Spiel" ein..
Mehr soll nicht veraten werden. - 1969 gab es noch kein öffentliches Bewußtsein für Psychotrauma; von daher ist nachvollziehbar, daß der Film die allermeisten Zuschauer ratlos gelassen hat. In einer Rezension (Zweitausendeins Filmlexikon) heißt es: "Saura benutzt die private Geschichte zur Darstellung der Situation der spanischen Gesellschaft gegen Ende der 60er Jahre. Dabei versteckt er sein hintergründiges Anliegen hinter modisch-verspielten Effekten, die das Verständnis erschweren."
Das ist Unsinn. Der Film zeigt - in skizzierter, kreativer Umsetzung -, wie Menschen versuchen, eine traumatische Kindheitssituation nachträglich zu integrieren in ihr Seelenleben, indem sie sie in der erwachsenen Partnerbeziehung in "Spielen" ausagieren (die im allgemeinen natürlich eher alltägliche Inszenierungen sind, keine aufwendig gestalteten theatermäßigen Szenen). Und zeigt, daß das nicht funktioniert, - weil die real in den Betroffenen schlummernden Ängste, der reale Haß und die reale innere Leere durch solche "Spiele" meist nur potenziert wird. Aber - wie viele Partnerbeziehungen zerstören sich in derartiger Dynamik!
Dies ist einer der wenigen Filme des Regisseurs, mit denen offenbar kaum jemand etwas anfangen konnte und kann. Hilflosigkeit zeigt sich auch in den seltenen Kommentaren dazu, eine DVD gibt es nicht; selbst bei You Tube finden sich nur zwei winzige Splitter.