FLISS, Claudia /Riki PRINS (Hrsg.): Buch der Hoffnung
Claudia Fliß / Riki Prins (Hrs.): Buch der Hoffnung. Wege aus der Macht organisierter Täterwelten in ein selbstbestimmtes Leben
(Kröning 2015)
Hoffnung auf ein Ende traumatischer Lebensumstände ist für keine andere Opfergruppe so unvorstellbar wie für Menschen (zumeist mit DIS), die in allen ihren Persönlichkeitsanteilen in unterschiedlichen Facetten gegen eine solche Hoffnung konditioniert worden sind. Nicht wenige von ihnen sind durch täterorientierte Innenpersönlichkeiten noch im Erwachsenenalter den Verbrechen ausgesetzt. – Doch selbst solche Überlebende finden unter günstigen Umständen Wege zu einem selbstbestimmten Lerben, lernen Unterstützung durch HelferInnen anzunehmen; – aus dem unzerstörten (und unzerstörbaren?) Kern ihres Menschseins entwickeln sie Hoffnung.
In dieser Veröffentlichung eines psychologischen Fachverlags kommen Überlebende von organisierter (ritueller) Gewalt zu Wort, die für ihre Erfahrungsberichte oder kreative Annäherungen an das von ihnen erfahrene Leid und ihren Heilungsweg bislang meist auf Selbsthilfezeitschriften und -foren (oder Bücher in Zuzahlungsverlagen) angewiesen waren.
Professionelle HelferInnen sind meines Erachtens die eigentliche Zielgruppe des Bändchens. Sie können durch die sehr unterschiedlich gewichteten Beiträge unterstützt werden, sich einzufühlen in die Situation von Betroffenen, die sich aus der Gewalt der Kulttäter befreien wollen oder schon befreit haben.
Manche Betroffene beschreiben subtil die allerersten Keime von Hoffnung bei ihnen selbst. Mit großer Behutsamkeit werden in einer metaphorischen Geschichte („Befreiung der Nachtwesen“) täteridentifizierte Anteile einbezogen. – Die Vielfalt der sehr individuellen Gedanken, Metaphern, Gegenimaginationen und Geschichten, die einzelnen Betroffenen geholfen haben, bieten einen empathischen Einstieg für Professionelle in das Thema; Einzelnes kann für konkrete Therapiesituationen adaptiert werden oder als Fotokopie bestimmten KlientInnen an die Hand gegeben werden.
Allerdings kann ich dieses Buch Überlebenden von Ritueller Gewalt kaum empfehlen. Hoffnung für sie liegt meines Erachtens nicht zuletzt darin, die durch die verbrecherische Konditionierung unterschiedlicher dissoziativer Anteile bewirkten verwirrenden, desintegrativen inneren Ambivalenzen Schritt für Schritt zusammenzuführen, also: Einfachheit und Eindeutigkeit zu ermöglichen. Dazu kann die "bunte Mischung" dieses Readers kaum beitragen. Manche Metaphern (vor allem aus magisch-märchenhaftem oder christlichem Hintergrund) dürften für nicht wenige Betroffene triggernde Wirkung haben. (Auf diese Gefahr wird von den Herausgeberinnen allerdings hingewiesen.) Auch wenn unterschiedliche Sprachen Teil der Realität vom bestimmten dissoziativen Systemen sind, tragen sie eher zur Unruhe des Buches bei. Eine umfangreiche Darstellung liest sich wie eine therapeutisch angeleitete Standortbeschreibung und -diskussion einzelner dissoziativer Persönlichkeiten, die von anderen Betroffene kaum auf die eigene, in ganz anderer Weise komplizierte Situation übertragen werden kann.
In jedemfall ist das Büchlein ein guter Anfang, Überlebende von Ritueller Gewalt auch in Fachverlagen zu Wort kommen zu lassen!