"Sicherheit finden" - Kombinierte Trauma- und Suchttherapie
Wer als Kind Gewalt und Vernachlässigung erlebt, kompensiert das Trauma nicht selten mit einer Sucht. Herkömmliche Therapien orientieren sich dagegen im allgemeinen entweder nur an der Traumatisierung oder nur an der Sucht.
Denn wenn die Sucht sich aus dem Versuch heraus, ein Trauma zu verarbeiten, entwickelt hat, dann muss das Trauma mit behandelt werden. In dem Programm "Sicherheit finden" wird genau das getan.
Das 1999 in Boston entwickelte Angebot bearbeitet Sucht und Traumafolgen gemeinsam – Betroffene sollen lernen, die Folgen ihrer Traumata besser zu verstehen, und sie lernen Bewältigungsstrategien für den Alltag.
Die Wissenschaftler am UKE haben das Programm 2009 ins Deutsche übersetzt. Bisher wird es hierzulande aber nur selten angewendet. Dabei gehen Schäfer und seine Kollegen davon aus, dass "Sicherheit finden" wirksamer ist als bisherige Behandlungen. Um das in einer Studie zu überprüfen, bieten sie "Sicherheit finden" seit 2012 in Hamburg, Essen, Köln, Bielefeld und Hannover an.
Die Untersuchung ist eingebettet in ein bundesweites Forschungsprojekt zum Thema "Substanzmissbrauch als Ursache und Folge früher Gewalt" (Cansas). In der Studie durchlaufen bis zu sechs Frauen in einer Gruppe 14 Sitzungen. Es geht nicht darum, traumatische Erfahrungen im Detail zu besprechen. Auch Abstinenz wird dabei nicht verlangt.
Stattdessen stehen Themen auf dem Programm, die bei den Betroffenen besonders problematisch sind wie etwa "Sich vor Gewalt schützen", "Gute Selbstfürsorge" oder "Um Hilfe bitten". Letzteres spielt zwar auch in der regulären Suchtbehandlung eine Rolle. Der Unterschied ist: "Wir betrachten alles durch die Traumabrille", erläutert Schäfer.
Das eröffne den Patienten einen anderen Zugang zu ihren Problemen und schaffe Motivation. Ein weiterer Aspekt sei das Eingehen auf positive Werte: Warum ist es wichtig, ehrlich zu mir und anderen zu sein? Was bedeutet das für meinen Alltag?
Schäfer: "Traumatisierung und Suchterkrankung führen oft dazu, dass Betroffene im Alltag diese Werte verlieren. Die Rückbesinnung darauf ist aber ein wichtiger Schritt zur Genesung."
Bisher haben 296 Süchtige an der Studie teilgenommen. Die endgültigen Befunde sind erst im Frühjahr 2016 zu erwarten. Die Rückmeldungen der Teilnehmer sind bislang sehr positiv: "So was habe ich schon immer gesucht" oder "Ich wusste doch schon immer, dass meine Probleme ganz andere Ursachen haben – hier wird das endlich berücksichtigt", sagen die Frauen und Männer.