Jeder siebte Jugendliche verletzt sich selbst
NEU-ISENBURG. Seit den neunziger Jahren häuft sich bei Jugendlichen in Industrieländern selbst verletzendes Verhalten (SVV). In Deutschland fügt sich etwa jeder siebte Heranwachsende pro Jahr selbst Verletzungen zu, jeder 25. mehrmals, schätzen Experten (www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org).
Zumindest in den USA nimmt SVV seit Jahren deutlich zu, belegt jetzt eine Studie. So gab es 2008 in Notaufnahmen von US-Kliniken etwa doppelt so viele Minderjährige mit solchen Traumata wie 1993, berichten Pädiater um Dr. Gretchen Cutler von der Minnesota-Kinderklinik in Minneapolis (Pediatrics 2015; online 15. Juni).
Dieser Trend hat sich in den USA nun auch für die Folgejahre bestätigt. Das Team um Cutler hat die Nationale Traumadatenbank (NTDB) nach Selbstverletzungsdiagnosen von 2009 bis 2012 ausgewertet.
Die Pädiater fanden knapp 287.000 Einträge bei 10- bis 18-Jährigen, bei 3664 (1,3 Prozent) war eine Selbstverletzung als Grund für den Besuch der Notaufnahme vermerkt worden.
Dieser Anteil ist signifikant von 1,1 Prozent im Jahr 2009 auf 1,6 Prozent im Jahr 2012 gestiegen. Die Pädiater warnen: Patienten mit ernsten Selbstverletzungen laufen Gefahr, in Folge einen Suizid zu begehen. Sie sollten daher besonders intensiv betreut werden.
Nach der Analyse sind mehr als 70 Prozent der Betroffenen männlich, 60 Prozent 15 bis 18 Jahre alt, und die allermeisten (86 Prozent) haben keine bekannten Begleiterkrankungen. Nur bei knapp 5 Prozent ist eine psychische Erkrankung vermerkt, zumeist eine Depression.
Die Studienautoren vermuten, dass die Prävalenz psychischer Störungen deutlich zu niedrig angegeben wird. In Studien, in denen Minderjährige mit Selbstverletzungen gründlich untersucht worden waren, konnten Ärzte bei jedem zweiten eine psychische Störung feststellen.
Die Pädiater plädieren daher für eine solche Untersuchung bei Selbstverletzungen. In der US-Studie hatten Minderjährige mit SVV im Mittel schwerere Verletzungen als solche mit anderen Gründen für ein Trauma.
Der Anteil mit Polytrauma (Injury Severity Score ab 16 Punkte) lag bei ihnen deutlich höher als bei Verletzungen mit anderer Ursache (24 versus 18 Prozent).
Noch drastischer waren in der Studie die Unterschiede bei der Mortalität: 4,3 Prozent starben in ärztlicher Behandlung oder auf dem Weg dahin, nur 0,8 Prozent und damit fünfmal weniger waren es bei Minderjährigen mit anderen Verletzungsursachen.
LINK zum gesamten Artikel in der ÄRZTEZEITUNG 2.7.2015 - hier!