Josè Brunner: Die Politik des Traumas
Gewalterfahrungen und psychisches Leid in den USA, in Deutschland und im Israel/Palästina-Konflikt (Berlin 2014)
Eine Rezension:
In Zeiten des Booms von psychiatrischen Diagnosen fasziniert der Terminus „Trauma“, weil er eine individuelle Gewalterfahrung auf eine allgemeinverständliche Formel bringt. Die Karriere des Begriffes ist bemerkenswert: Aus der Domäne der Chirurgie wanderte er als metaphorische „Wunde“ in der Seele in Psychoanalyse, Psychiatrie und Psychologie ein. Inzwischen ist das „Kindheitstrauma“ aus der Alltagssprache nicht mehr wegzudenken.
Seit kurzem genießt die Geschichte des psychischen Traumas wieder erhöhte Aufmerksamkeit. Sehr unterschiedlich werden hier neue Schneisen zum Forschungsgegenstand geschlagen, sei es in einer Erkundung des moralischen Stellenwertes des Opfers [1], in einer Geschichte der deutschen Kriegsheimkehrer, die gerade ohne die Zuhilfenahme des Traumabegriffs auskommen müsse [2], oder in einer historischen Epistemologie des Schocks. [3] Dass es sich bei dem Konzept des Traumas immer um politische Verstrickungen der Gesellschaft mit der Wissenschaft handeln muss, ist mittlerweile ein Allgemeinplatz in der historischen Traumaforschung. Oft wurde der Anteil der Politik derart ausgelegt, dass das Trauma, wie im Falle der amerikanischen Diagnose Posttraumatic Stress Disorder (PTSD) [4], weniger ein wissenschaftlich wasserdichtes Krankheitskonzept sei, denn eine politisch forcierte Maßnahme, um den Vietnamveteranen zu einem Krankheits- und damit Opferstatus und schließlich auch zu Versorgungsansprüchen zu verhelfen. In dieses Verständnis von Traumapolitik interveniert José Brunner mit seinem als Kulturgeschichte des Politischen geplanten Vorhaben, die „unentrinnbare Verknotung von Trauma und Politik“ (S. 15) anhand der Fallstudien USA, Deutschland und Israel/Palästina freizulegen.
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Anne Freese: Rezension zu: Brunner, José: Die Politik des Traumas. Gewalterfahrungen und psychisches Leid in den USA, in Deutschland und im Israel/Palästina-Konflikt. Berlin 2014 , in: H-Soz-Kult, 30.03.2015, www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-23118.