Anna Schack: DAS HAUS Nr. 131
Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg? Zerstörte deutsche Städte? – Für uns Nachkriegsgeborene sind das kaum mehr als Worte. Die Städte sind wieder aufgebaut, die meisten Zeitzeugen sind tot, und im übrigen war das NS-Deutschland ja selber schuld. – Dieser hier erstmals wiederveröffentlichte, bereits 1946 erschienene Versuch einer romanhaften Darstellung der entsprechenden Erfahrungen dokumentiert hautnah, geradezu filmisch die Situation von weder verfolgten noch antinazistisch aktiven Deutschen während der Luftangriffe auf Düsseldorf, ab 1941.
Alltag im wissen, daß in den nächsten Stunden die eigene Wohnung ein Trümmerhaufen sein kann, völlig unvorhersehbar der Fliegeralarm, dann hilfloses Verharren im Luftschutzkeller angesichts der sicheren Lebensgefahr durch Verschüttung, Verbrennung oder durch Brandgase. Kein Kämpfen, keine Flucht ist möglich; und hinterher die Suche nach Angehörigen, die oft nur als Leichenteile gefunden werden.. – Heute wissen wir, daß solche Situationen zumeist traumatisierend wirken. Verleugnung und Rationalisierung, Kompensationen, traumatische Erstarrung und Abspaltung (Dissoziation) sind, in mancherlei Varianten, im Buch dargestellte Auswirkungen. Sie haben – auch das wird erst seit wenigen Jahren (an)erkannt – das Seelenleben der Überlebenden geprägt bis zu ihrem Tod. Zweifellos entstanden in der Generation unserer Großeltern und Eltern häufig Traumafolgeschädigungen, die sich direkt oder indirekt ausgewirkt haben in unserer eigenen Kindheit.
Im Gegensatz zu den isolierten Zitaten von Luftkriegsbetroffenen, wie sie in manchen Fach- und Sachbüchern dokumentiert werden, bleiben entsetzliche, von Zerstörung und Todesangst geprägte Situationen im vorliegenden Buch verwoben in den unprätentiösen, privatistischen, banalen Alltag mit seinen menschlich-allzumenschlichen Bedürfnissen und Konflikten; darin liegt ein besonderer Wert der Darstellung, für deren grundsätzliche Authentizität auch die Veröffentlichung bereits im Jahr 1946 spricht. Sicherlich hat sich die Autorin ihren Figuren – jenseits unterschiedlicher ideologischer Standorte – verbunden gefühlt; zweifellos hat auch Anna Schack im Luftschutzkeller gesessen und ist vor dem Feuersturm geflohen.