Katalin Vidor: ALLTAG IN DER HÖLLE
Die ungarische Jüdin Katalin Vidor (1903-76) wurde 1944 verschleppt in das Vernichtungslager Auschwitz Birkenau, später kam sie zur Zwangsarbeit in zwei Außenlagern des KZ Groß-Rosen. Ihr Buch erschien 1963 auf deutsch, wurde kaum beachtet und ist längst vergessen. Als eine von wenigen KZ-Überlebenden berichtet die psychologisch ausgebildete Autorin vorrangig vom Menschsein der gefangenen Jüdinnen, sie dokumentiert Momente des niemals adäquat nachvollziehbaren Geflechts von Stärken und Schwächen, von Liebe und Gleichgültigkeit, Trägheit des Herzens und Angst, von Resignation und Demütigung, Verzweiflung und Beharren, von Demut und existenzieller Erschöpfung innerhalb der grundlegend traumatisierenden KZ-Situation.
Es ist dies kein Buch über den Nazi-Terror, das millionenfache Leid der Shoah, über Den Tod, sondern ein Bericht über die in diesem Terror dennoch existierende Mitmenschlichkeit: über Das Leben. Im Mittelpunkt stehen die gefangenen Frauen in ihrem – wiewohl bis ans seelische und körperliche zerbrechen geschädigten – autonomen Menschsein. Selbst in Auschwitz erlebten sich viele von ihnen offenbar nicht nur als Objekte der Nazis, sondern noch immer zugleich als Subjekte des eigenen Lebens.
Existenzieller Terrorisierung waren auch Überlebende anderer schwerster Traumatisierung unterworfen, vor allem bei kindlichen Opfern und auf Grundlage von Organisierter (Ritueller) Gewalt. Dort liegt in der therapeutischen Unterstützung ein hauptsächliches Augenmerk auf INNEREN RESSOURCEN, die bei den Betroffenen vor der Traumatisierung bestanden oder die innerhalb der traumatischen Zeit gefunden, aktiviert oder verstärkt werden konnten. An sie gilt es anzuknüpfen, sie sind unverzichtbare Grundlage jeder Linderung oder Überwindung von traumatischen Folgeschädigungen. Katalin Vidors beobachtende, psychologisch-reflexive Grundhaltung kam solchen Prinzipien nahe. Sie dokumentiert eine Fülle sozialer und psychischer Momente, die im Terror von KZ und Arbeitslager zur Ressource werden konnten.
Achtung: Manche im Buch geschilderten Szenen können Traumaüberlebende triggern!